GESS WIRD 50 – Interview mit Dr. Ines von Uexküll

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Wenn wir auf die 50-jährige Geschichte der GESS zurückblicken, gibt es bestimmte Personen, die sich als wahre Anker, als Steuerpersonen und WegweiserInnen für unsere Schule und ihre Vision erwiesen haben. Eine dieser Personen ist Dr. Ines Baronin von Uexküll Güldenband, deren Liebe zur Schule weit über ein bloßes Pflicht- und Verantwortungsgefühl hinausging und sich durch ihre wahre Fürsorge und persönliche Investition in die Schule ausdrückte .

Für ihre besonderen Verdienste um das Auslandsschulwesen in Tokyo, Hong Kong und Singapur erhielt sie im Jahre 1992 das Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland.

Im Oktober 2021 verstarb Dr Ines von Uexküll im Alter von 96 Jahren. Einige Monate zuvor hatten wir das Glück mit der wertvollen Unterstützung ihres Sohnes, Herrn Nicolai von Uexküll, ein Video-Interview mit ihr aufzunehmen.

Hier erzählt uns Dr. von Uexküll von ihrer Zeit an der Schule, die ihr so sehr am Herzen lag.

Hier können Sie sich einen Auszug aus unserem Interview mit Dr. Ines von Uexküll anschauen.

Erzählen Sie uns ein bisschen mehr über sich

Mein Name ist Dr. Ines von Uexküll und ich habe eine ganz besondere Beziehung zu dieser Schule. Von 1974 bis 1992 also – 18 Jahre – hat meine Familie in Singapur gelebt. 15 Jahre davon habe ich an der Deutschen Schule Singapur unterrichtet. Ich habe verschiedene Fächer wie Deutsch, Französisch und Geschichte unterrichtet. Für eine Zeit war ich als Schulleiterin tätig, meist aber als stellvertretende Schulleiterin.

Was hat Sie damals nach Singapur geführt?

Mein Mann und ich haben unser ganzes Berufsleben in Asien verbracht. Bereits 1954 zogen wir nach Hong Kong wo ich am Goethe Institut unterrichtete. Damals gab es dort noch keine deutsche Schule. 1963 zogen wir nach Tokio, wo ich an der deutschen Schule unterrichtete, bis wir dann 1974 nach Singapore zogen.

Wie war Singapur als sie dort ankamen?

Damals war Singapore noch sehr traditionell, aufregend und auch noch recht verschlafen. Die Orchard Road wurde gerade eine Einbahnstraße, das damalige Mandarin Hotel war das höchste Gebäude von ganz Singapore, was sich erst 1981 änderte. Die Innenstadt bestand aus kleinen chinesischen „Shop-Häusern“, sogar fast die gesamte Orchard Road. Die Straßen waren klein und führten in vielen Orten noch durch Dschungelstreifen. Es gab viele wunderschöne schwarz-weiße Kolonialhäuser und wir hatten das große Glück, in einem der schönsten zu residieren.

Es gab sehr viele Straßenkatzen und Hunde und in Kürze hatten wir etliche Tiere vor dem Tod gerettet. Wir hatten insgesamt 19 Katzen, 7 Hunde, 2 Schlangen, ein Gürteltier, 5 Pferde und 5 Gänse. Die Pferde allerdings wohnten im Saddle Club. Ein Dschungel verband unser Haus mit dem Reitclub und des Öfteren ritten meine Kinder mit den Pferden zu uns nach Hause. Dabei mußten sie damals nicht eine einzige Straße überqueren. Es war eine richtig fantastische Zeit…

Wann haben Sie ihre Arbeit an der Deutschen Schule aufgenommen?

Ein paar Monate nach unserer Ankunft in Singapore, 1974. Ich konnte nicht lange still sitzen und sehnte mich danach, Kinder zu unterrichten. Das war ja mein Beruf.

Wie waren damals die Bedingungen in der Schule?

Die Materialien waren äußerst bescheiden. Es gab zu wenig Klassenräume. Und neben dem Unterricht gab es so gut wie keine Aktivitäten der Schule. Es fehlte oft an Lehrern. Die Zahl der Schüler wuchs ständig und die Infrastruktur kam nicht so recht mit. Zum Glück hatte ich einige besonders nette und stets hilfsbereite Kollegen, die halfen die Lücken zu füllen. Mit viel Einsatz und Fantasie mussten wir selber Lösungen finden.

Die Kinder brauchten Inspirationen um geistig zu wachsen. Sie brauchten aber auch „Reality Checks“, um ihnen zu vermitteln, dass sie unter äußerst privilegierten Umständen aufwuchsen. Sie mußten verinnerlichen, daß alle Menschen – egal welcher Herkunft oder finanzieller Situation – gleich sind.

Außerdem war ein großes Problem das ständige Kommen und Gehen von Schülern. Oft wurden Familien in andere Länder versetzt. Dies bereitete beträchtliche emotionale Probleme und Stress für viele Kinder. Vor allem aber litt die Klassengemeinschaft. Aus diesem Grund organisierte ich mit den Schülern viele Theateraufführungen. Dazu kamen verschiedene Aktivitäten in-house, wie zum Beispiel Balladen- und Liederabende, die die Kinder mit vorbereiteten und vortrugen. Wir haben dafür unser Haus stets für die Schule offen gehalten und viele andere Veranstaltungen mit den Kindern oder einzelnen Klassen bei uns gehabt.

Dank unserer vielen Tiere war die Atmosphäre für die Kinder viel entspannter und familiärer. Es gab Klassenfeste, die für jüngere Schüler organisiert wurden. Unter anderem dachten sich dabei die älteren Schüler selber Kasperletheater aus, um sie dann den Jüngeren aufzuführen.

Für mich war der Einsatz der Kinder für das Tierheim von Singapur außerordentlich wichtig. Den Kindern wurden neben dem Unterricht weitere Werte vermittelt und Selbstbewußtsein und Engagement gefördert. Dazu nahmen die Kinder an Straßen-Sammlungen für das SPCA, dem Tierheim und für andere Hilfsorganisationen am sogenannten „Flag Day“ Teil. Mehrfach haben die Kinder der Deutschen Schule die meisten Spenden am Flag Day gesammelt, oft mit weitem Abstand. Zum Höhepunkt waren dies ganze 12,000 Singapur Dollar die die Kinder innerhalb eines Tages gesammelt haben.

Ein ganz anderes großes Problem war die heranwachsende Konkurrenz der anderen Schulen. Diese hatten ein besseres Budget und viel mehr Unterstützung ihrer Regierungen und Behörden. Die Deutsche Schule hingegen musste sogar um die Anerkennung des Unterrichtniveaus – also der Abschlüsse in Deutschland kämpfen. Das hat mich viel zusätzliche Zeit gekostet. Oft führte ich Gespräche mit Eltern, um ihre Kinder an der Schule zu halten oder für die Schule zu gewinnen. Das war uns nur mit dem zusätzlichen Engagement der außerschulischen Aktivitäten möglich.

Mit aus diesem Grund versuchte ich, die Kinder mit Theaterstücken und anderen Anregungen zu inspirieren. Sie sollten ihre durchaus privilegierte und keinesfalls selbstverständliche Situation erkennen und nicht als garantiert ansehen.

Erzählen Sie uns von den Theateraufführungen, die Sie organisiert haben

Es waren insgesamt 13 Theaterstücke, die ich in meiner eigenen Zeit ins Leben gerufen habe, mit Unterstützung von ein paar meiner lieben Kollegen. Eines davon – „Für Lehrer Zutritt verboten“ – hatte ich selber verfasst. In besonderer Erinnerung sind für mich „Arsen und Spitzenhäubchen“, „Charley’s Tante“ und „Das Gespenst von Montevideo“… Dazu gehörten regelmäßige Theaterproben, das Erstellen von Kulissen und die Werbung, damit wir vor vollen Rängen spielen konnten.

Dazu kamen noch einige Balladen- und Liederabende und andere Aufführungen, die ich mit den Kindern vorbereitete und die bei uns im Haus feierlichst vorgetragen wurden. Diese Aufführungen förderten stark die Klassengemeinschaften und verhalfen den Kindern zu selbstsicherem Auftreten. Sie wuchsen regelrecht durch ihre Rollen. Zu meinen prägnantesten Erinnerungen zählen die vielen Stunden, die ich mit den Kindern verbrachte um sie am Ende strahlend und voller Stolz auf der Bühne zu sehen. Inspiriert durch diese Erfahrungen, wurde sogar ein Schüler Schauspieler und ein weiterer Theaterdirektor.

Wie viele SchülerInnen hatte die Schule als Sie starteten?

1975 waren es ca. 45 Schüler. Fast alle wohnten damals im Watten Estate, wo auch unser Haus war. Sie wurden alle mit einem einzigen Schulbus in die Schule gefahren. Der Busfahrer hieß „Bobby“ und er war besonders beliebt bei allen Schülern. Ein besonders herzlicher und geschätzter Mensch. Er legte u.a. Musik auf, zu der oft die Kinder alle gemeinsam sangen. Dies trug sehr dazu bei, dass sich die Kinder besser verstanden und auch Freundschaften bildeten. Alle waren bestürzt und tiefst traurig, als er leider eines Tages entlassen wurde.

Was wenige wissen: die Anfänge der Deutschen Schule sind teilweise in unserem Haus – 126 Watten Estate Road zu finden! Vor unserer Ankunft in Singapur wurden in unserem Haus in 2 Zimmern deutsche Kinder schulisch unterrichtet. Dies war zwischen den Jahren 1970 – 1973. Es waren ca. 10 Kinder im Alter zwischen 5 und 8 Jahren.

Gibt es lustige Anekdoten, die sie gerne teilen möchten?

Anekdoten und lustige Geschichten gibt es etliche… Eine Geschichte, an die ich mich besonders gerne erinnere, war ein Streich eines Jungen, der anfangs besonders schüchtern war und von vielen gehänselt wurde. Er übernahm eine Hauptrolle in einem der Theaterstücke und wurde ein selbstsicherer und besonders kameradschaftlicher Schüler. Er fand beim Abriss eines Hauses eine Alarmklingel, die er stets 15 Minuten vor Ablauf der Unterrichtsstunde schellen ließ. Unsere Schulklingel hatte er mit Papier gesperrt. Und deshalb konnte er auch die Pausen um 15 Minuten verlängern. Sein Streich wurde von allen Mitwissern (es waren viele!) gedeckt dadurch erst ein paar Tage später durchschaut. Damit wurde er schlagartig zum Helden der ganzen Schule!

Waren Sie seitdem noch einmal in Singapur?

Seit unserem Wegzug 1992 war ich noch öfters da. Aber das Gefühl war ganz anders. Ohne meine Schule, ohne unser Haus und ohne Tiere war es für mich doch sehr fremd geworden.

Was wünschen Sie der GESS zum 50-jährigen Bestehen?

Meine heißgeliebte Schule wird nun 50 Jahre alt und trägt seit einigen Jahren den Ehrentitel „German European School Singapore“. Ich gratuliere unserer Schule und vor allem allen Schülern und Lehrern zu diesem besonderen Ereignis! Ich bin sicher, dass es noch viele Gelegenheiten geben wird, die GESS zu feiern!

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