ALUMNI – Interview mit Jan Marinesse

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Wir hatten kürzlich die Gelegenheit, mit Jan Marinesse zu sprechen, einem der ersten Schüler der GESS (damals noch Deutsche Schule Singapur). Er kam im April 1972 an die Schule, als diese noch in den Kinderschuhen steckte, und hat viele spannende Details über sein Schulleben an der Deutschen Schule mit uns geteilt.

Wie sah ein typischer Schultag für dich aus?

Damals waren die Schultage kürzer. Die Schule begann um 8 Uhr morgens und endete gegen 12 Uhr. Ich erinnere mich noch gut daran, dass vier Klassen gemeinsam in einem Raum lernten und wir insgesamt fünf oder sechs Schülerinnen und Schüler waren. Das war nicht so wie heute, wo die Klassen normalerweise 15 bis 20 Schüler/-innen haben. Es war eine kleine Familie. Natürlich erzählten mir meine Eltern, dass ich die deutsche Schule besuchen würde, aber am ersten Tag, als ich in der Jalan Kampong Chantek vor einem Wohnhaus ankam, dachte ich: „Das kann doch nicht die Schule sein“. Mein erster Schultag ist gleichzeitig auch meine schönste Erinnerung an die GESS. Von einer typischen deutschen Grundschule mit Hunderten von Kindern in ein Wohnhaus mit nicht mehr als einem Dutzend Kindern zu kommen, war eine ganz neue Erfahrung. Abenteuer pur! Pioniertage in Singapur; ich habe sehr gute Erinnerungen an diese Zeit.

Was hast du an der GESS gelernt, das du heute besonders schätzt?

Ich habe gelernt, dass man mit der richtigen Vision und dem Willen, ein Ziel zu erreichen, aus einem kleinen Anfang etwas Großes machen kann.

Was, glaubst du, war besonders bereichernd, weil du in einer so kleinen Klasse, an einer so jungen Schule warst?

Damals war die GESS wahrscheinlich eine der kleinsten Schulen der Welt. Und schaut, was nun für ein Baum aus diesem kleinen Samen gewachsen ist!

Das damalige Schulsystem könnte man auch in der heutigen Zeit finden – es war sehr liberal und offen. Unsere Lehrerin musste drei oder vier Klassen gleichzeitig unterrichten. Sie teilte ihren Unterricht in Zeitblöcke auf und unterrichtete die erste Klasse, und dann hatten die Kinder etwas, womit sie sich beschäftigen konnten. Dann folgte ein Zeitblock für die zweite oder dritte Klasse. Wir hatten so eine Art Intervallunterricht. Das Schulleben war sehr familiär, bodenständig, einfach und praxisorientiert. Es lag an uns selbst, so viel wie möglich aus der Schule mitzunehmen; es war kein erzwungenes Lernen sondern ganz natürlich, und unsere Lehrerin, Frau Beckhaus, war eine beeindruckende Lehrerin! Später wechselte ich die Schule und ging auf die UWC. Dort hatte ich nicht das Gefühl, dass ich in den vorangegangenen Jahren etwas verpasst hatte. Ich finde, ich hatte eine gute Schulerfahrung an der GESS und ich blicke gerne zurück. Weil die Gruppen klein waren, war es sehr familiär. Weder vor noch nach dieser Zeit habe ich eine vergleichbare Erfahrung gemacht.

Als ich die Schule besuchte, konnte man nur die Grundschule besuchen, bis zur 5. Klasse. Etwa zwei Jahre nachdem ich die Schule verlassen hatte, wurde die Schule um weitere Klassen erweitert, aber ich wäre die ganze Zeit ein oder zwei Jahre im Rückstand gewesen. Meine Eltern hielten es daher für besser, das Schulsystem zu wechseln und mich auf die UWC zu schicken, die damals neben der SAS, der amerikanischen Schule, die einzige echte Option war.

Als ich im Laufe meiner Schulzeit an größere Schulen wechselte, habe ich immer die kleine, intime, familiäre Atmosphäre vermisst, die mir an der GESS so ans Herz gewachsen war.

Heutzutage hat unser Campus eine tolle Ausstattung: Kantine, Schwimmbad und Busse, wie war das in den 70er Jahren? Wie bist du zur Schule gekommen? Was hast du gegessen? Wie sah die Schule aus?

Der Kindergarten befand sich im Erdgeschoss und der Rest war im ersten Stock in einem Raum untergebracht. Es war ein Klassenzimmer mit Tischen und Stühlen und einem Freizeitraum, das war’s. Wir hatten eine Rutsche und eine Art einfachen Spielplatz, aber keine Sporteinrichtungen und auch kein Schwimmbecken. In der Jalan Kampong Chantek hatten wir einen Sandkasten, in dem wir spielten. Und später in der Chatsworth Road hatten wir einige Anlagen, eine Rutsche, einen Hüpfbalken und solche Dinge, wie man sie auf einem Abenteuerspielplatz finden würde. Und wir hatten einen sehr großen Garten, der etwa doppelt oder dreimal so groß war wie das Haus. Für die damalige Zeit war er gigantisch. Wir spielten Fußball oder rannten herum, spielten Fangen und so weiter. Wir hatten zwar Aktivitäten im Freien, aber keinen solchen Luxus wie einen Pool. Es gab einen Bus, der einen morgens abholte und nach der Schule wieder nach Hause brachte. Wenn ich mich recht erinnere, wurden auch viele Kinder von den Fahrern oder ihren Eltern abgeholt. Es gab keine Kantine, wir brachten unsere eigenen Getränke und unser eigenes Essen mit – unser Pausenbrot. Und es war ja nicht so, dass wir den ganzen Tag dort waren. Wir wurden um die Mittagszeit aus der Schule entlassen – rechtzeitig, um nach Hause zu kommen und dort zu Mittag zu essen.

Was hast du erlebt, was heute unvorstellbar wäre?

Auch nachdem wir von der Jalan Kampong Chantek in die Chatsworth Road umgezogen waren, war unser Schulgebäude immer noch ein Wohnhaus. Es war ein schwarz-weißes Haus – viel größer als die erste Schule – mit einem großen Garten und all den Tieren, die man sich in einem subtropischen Garten vorstellen kann. Es gab Schlangen, Eidechsen und natürlich die ewigen Kakerlaken und Tausendfüßler, die ab und zu durch die Klassenzimmer liefen. Das war nichts Schreckliches, sondern gehörte damals einfach zum Leben dazu. Während der Schulzeit und in der Freizeit gingen wir in den Garten und spürten diese Kreaturen auf. Das gibt es heute auf modernen Schulgeländen wahrscheinlich nicht mehr. Alles ist wahrscheinlich steriler, und man versucht, diese Tierchen fernzuhalten.

Inwiefern hat deine Zeit an der GESS und in Singapur dein Leben geprägt?

In den über 9 Jahren, die ich in Singapur gelebt habe, habe ich gelernt, verschiedene Kulturen, Nationalitäten und Religionen zu respektieren. Ich konnte in einem ethnisch gemischten Umfeld aufwachsen und hatte das Glück, viele kulturelle Erfahrungen machen zu können.

Was vermisst du besonders an Singapur und deinem Leben hier?

Ich schätze mich sehr glücklich, in einer so sorgenfreien Umgebung aufgewachsen zu sein. Es war eine großartige Erfahrung für mich, mich frei in der Stadt bewegen zu können, weil ich wusste, dass ich in Sicherheit war. Das Leben war in dieser Phase meines Lebens recht leicht, und ich schätze mich sehr glücklich, dass ich diese Erfahrung machen konnte.

Was hat dich dazu bewogen, mit anderen Alumni in Kontakt zu treten und auch unserem Alumni-Portal beizutreten?

Ich habe nach Fotos von der Deutschen Schule gesucht und stieß dabei auf die GESS. Ich habe mich auf der Homepage umgeschaut und gesehen, dass eine Veranstaltung geplant war, also habe ich mich angemeldet, weil ich dachte, dass ich vielleicht jemanden aus meiner Schulzeit finden würde. Ich habe auch tatsächlich einige Leute gefunden, die auf die Deutsche Schule gegangen sind und später auf die UWC, und mit vier oder fünf von ihnen stehe ich nun schon seit einigen Jahren in Kontakt. So wird der Schulgeist aufrecht erhalten. Deshalb habe ich an der Alumni-Veranstaltung teilgenommen, und es hat mir sehr viel Spaß gemacht. Es war eine coole Veranstaltung, und ich denke, ich werde in Zukunft wieder dabei sein.

Wie ging es nach deiner Zeit an der GESS für dich weiter?

1975 – 1979 UWC SEA

1979 – 1981 SAS (Singapore American School)

1981 – 1983 Hotel Management School Chur (CH)

1984 – 1988 Ecole Hotelière de Lausanne EHL (CH)

Könntest du uns deinen beruflichen Werdegang schildern und uns etwas über deine derzeitige Tätigkeit erzählen?

Während und nach meinem Studium der Hotellerie habe ich in mehreren Hotels in der Schweiz in verschiedenen Positionen gearbeitet, vor allem im Front Office und F&B (Food and Beverages).

Später wechselte ich in die Automobilbranche (Vertrieb), wo ich für verschiedene Unternehmen als Sales Promotion Manager, Area Manager, Product Manager und in der Netzwerkorganisation arbeitete.

Im Jahr 2004 wurde ich gebeten, ein Qualitäts- und Umweltmanagementsystem für einen großen Kfz-Händler in der Schweiz einzurichten.

Seit 2007 arbeite ich mit großer Begeisterung als leitender Auditor für Qualität, Umwelt, Gesundheit und Sicherheit und Sicherheitsdruck (ISO und andere Normen).

Hast du Ratschläge oder Erfahrungen, die du gerne mit der derzeitigen Schülerschaft teilen würdest?

Lebt den Moment! Genießt jeden Tag eurer Jugend. Baut Freundschaften auf und lasst sie bestehen! Bleibt mit euren Freund/-innen auch nach der Schule in Kontakt. In den ersten Jahren werdet ihr es vielleicht nicht für notwendig oder angebracht halten, mit den Menschen, die ihr kennt, in Kontakt zu treten, weil ihr Studium oder Ausbildung beginnt. Aber mit der Zeit werden Erinnerungen an das ehemalige Schulleben wach. Ich habe festgestellt, dass ich 20, 30 Jahre nach meinem Schulabschluss die Leute, mit denen ich zur Schule gegangen war, wiedersehen wollte. Wenn es euch möglich ist – und heute ist es sehr einfach, über die sozialen Medien und Alumni-Plattformen in Kontakt zu bleiben – bleibt in Kontakt und schaut gelegentlich nach, was die anderen, mit denen ihr zur Schule gegangen seid, so treiben.

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